Automatisierung & Standardisierung: Die Treiber der Digitalisierung im Treuhandwesen.

14.08.2019 // Sacha Briggen

Digitalisierung ist in aller Munde und die zu erwartende Panik ist noch nicht wirklich ausgebrochen. Entgegen der Skeptiker hat die Digitalisierung noch nicht alle Berufe in die weite Ferne verbannt und dennoch verschieben sich die Anforderungen an die Jobs aufgrund der digitalisierten Prozesse. Einige Berufsgruppen trifft die Digitalisierung jedoch besonders hart: Die Buchhalter. Denn den Buchhalter, wie man ihn sich vorstellt, wird es in der Zukunft nicht mehr hinter dem Tisch sitzend und hinter Dokumentenbergen versteckt geben. Der neue Buchhalter – sozusagen der Buchhalter 2.0 – wird seine Zahlen auf digitale Weise jonglieren und die akribische Dokumentenprüfung mit Papier nur noch aus Erzählungen kennen.

Automatisierung ist Key

Analoge, manuelle Prozesse durch digitale, maschinelle Prozesse zu ersetzen, gehört in der Welt der Informationstechnologie bereits zum «Schnee von gestern». Volkswirtschaftlich betrachtet erfreut sich die Wirtschaft an immer schnelleren Methoden und profitiert von den kostensenkenden Prozessen, die durch Maschinen ausgeführt werden. Auch wenn der Mensch nach wie vor das wichtige Bindeglied zwischen den Maschinen ist, darf die wertvolle Arbeit, welche uns die Maschinen bzw. Roboter abnehmen, nicht vergessen gehen. Die Automatisierung der Prozesse hob neue Berufsmodelle aus dem Boden und gab vielen Berufsgruppen die Möglichkeit, sich neu zu definieren. Aus diesem Grund sollen die Themen der Automatisierung und Digitalisierung kein Kopfschütteln auslösen. Die Menschheit muss sich den aktuellen Gegebenheiten anpassen und darf sich nicht auf den «ach-so-schönen» Lorbeeren ausruhen. Um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv bleiben zu können, empfiehlt es sich daher, offen gegenüber Weiterbildungsmöglichkeiten zu sein und sich – und auch das Unternehmen – weiterentwickeln zu können. Personen werden niemals durch Maschinen ersetzt werden können. Die Prozesse der Maschinen arbeiten immer noch danach, was wir ihnen vorschreiben zu tun und nicht umgekehrt.

Doch was sind denn eigentlich die Treiber der Digitalisierung in der Treuhandbranche und was lässt sich heute schon umsetzen? Die Digitalisierung, bezogen auf die Funktion des Buchhalters, beinhaltet massgeblich die Einbindung von Schnittstellen und Standards, um die Automatisierung der Arbeitsprozesse anzutreiben.

Über die Schnittstellen und das Lego-Prinzip

Gemäss Wikipedia stammt der Begriff «Schnittstelle» ursprünglich aus der Naturwissenschaft und bezeichnet die physikalische Phasengrenze zweier Zustände eines Mediums. Weiter beschreibt er bildhaft die Eigenschaft eines Systems als Black Box, von der nur die „Oberfläche“ sichtbar ist, und daher auch nur darüber eine Kommunikation möglich ist. Zwei benachbarte Black Boxes können nur miteinander kommunizieren, wenn ihre Oberflächen „zusammenpassen“.

Dies lässt sich einfach mit den Erfahrungen aus unserer Kindheit vergleichen: Als Kind spielten wir mit vielen bunten Legosteinen in verschiedenen Grössen und Formen, welche über Oberflächen verfügen, die ganz genau zusammenpassen. Durch definierte Übergänge lassen sich aus diesen vielen Einzelteilen neue Gebilde gestalten. Der Kreativität kaum Grenzen gesetzt, entsteht eine Figur, die sich – je nach Gegebenheit – weiterentwickeln lässt. Und genauso verhält es sich mit den Schnittstellen der einzelnen Softwarepakete. Es wird keine ganzheitliche Software benötigt, welche sämtliche Probleme löst. Durch die Kompatibilität einzelner Produkte entstehen individuell angepasste Lösungen.

Heute wählen Sie aus einzelnen Anwendungen aus, die Ihren Bedürfnissen optimal gerecht werden und verbinden diese zu einem Gesamtsystem. Dank den Software-Schnittstellen ist es möglich, aus einer Leistungssoftware, welche Rechnungen generiert, automatisch Debitorenbuchungen eines anderen Buchungssoftware-Herstellers zu erstellen. Das erzeugt eine neue, willkommene Flexibilität in der Wahl Ihrer Software und Sie können für jeden Funktionsbereich genau das Paket wählen, welches Ihren Bedürfnissen gerecht wird und sind nicht auf eine Gesamtlösung angewiesen, mit welcher Sie ungewünschte Kompromisse eingehen müssen. Der zusätzliche Nutzen entsteht darin, dass dieses Prinzip nicht nur für Sie als Treuhandfirma funktioniert, sondern es lässt sich über Ihre gesamte Wertschöpfungskette, beginnend bei Ihren Mandanten bis hin zu Ihnen, anwenden: Mit Einbindung der Branchensoftware Ihres Kunden, lässt sich dies auf bequeme Art und Weise adaptieren. Vorausgesetzt, die Software-Architektur erlaubt die Zugriffsmöglichkeit beider Seiten (Treuhandfirma und Mandant) und verfügt über transparente Schnittstellen.

Was wissen Sie über die Standardisierung des Datenaustauschs?

Standards begleiten uns ständig im täglichen Leben. Wir haben uns jedoch schon so sehr an die gängigen Standards gewöhnt, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Sei es die Höhe und Tiefe der Treppen, die Masse unseres Bestecks oder die Masse unseres Briefpapiers. Dass auch im Geschäftsalltag weitere Standards notwendig sind, zeigt sich in der Digitalisierung des Treuhandwesens. Im Austausch von Daten sind (Sicherheits-)Standards ein unumgängliches Muss. Dies ist nicht nur bei Banken, Versicherungen, Behörden und Lieferanten der Fall, sondern bei allen Institutionen, welche vertrauliche bzw. sensible Daten über das Internet austauschen. Hierbei kommen u.a. folgende Standards zum Tragen:

  • ISO 20022 Bankabgleich und Zahlungsaufträge vereinfachen den Zahlungsabgleich und automatisieren diesen weitgehend.
  • eBill (E-Rechnung) vollautomatische Rechnungsverarbeitung. Im Gegensatz zum reinen PDF-Rechnungsversand werden mit diesem Standard detaillierte und verarbeitbare Rechnungsinformationen inkl. Positionsdaten übermittelt.
  • eMWST erlaubt das digitale Verarbeiten der Mehrwertsteuer-Abrechnung.
  • Einheitliches Lohnmeldeverfahren ELM (swissdec) ermöglicht das digitale Verarbeiten der Lohnmeldungen gegenüber den Versicherungen.

 

Mithilfe dieser Standards werden folgende Drittparteien in unser Ökosystem eingebunden:

Nebst den oben erwähnten Standards gibt es selbstverständlich noch deren weitere, die den manuellen Aufwand eines Treuhänders in der Buchführung reduzieren:

  • ISO 20022 – QR-Rechnung steht ab 2020 zur Verfügung. Der Code enthält, im Gegensatz zum heutigen ESR, mehr Rechnungsinformationen, die den Automatisierungsprozess vereinfachen.
  • Kundenintegrierter Leistungsprozess (KLE) ermöglicht die digitale Vorfalls-Meldung und -Verarbeitung (z.B. KTG) an die Versicherungen im Lohnwesen.

 

Mit diesen hilfreichen Tools wird das Verarbeitungsvolumen kontinuierlich abnehmen, was mehr Ressourcen für die Beratungsleistungen freigibt. Somit konnten vereinzelte Schritte komplett eliminiert oder teilweise gestrichen werden:

  • Verbuchung von Debitoren in der FIBU
  • Verbuchung von Löhnen in der FIBU
  • Verbuchung von Kreditoren
  • Durchführen des Bankabgleichs
  • Ausfüllen von Lohnmeldungsformularen
  • Erstellen MwSt.-Abrechnungen

 

Die Automatisierung bietet somit viele Lösungen zur Vereinfachung der Prozesse und zielgerichtetem Einsatz der Ressourcen. Wir sind überzeugt, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und Treuhandfirmen sich darauf vorbereiten sollen, dass sich das Tagesgeschäft stetig verändern wird. Agilität ist gefragt und die Einsicht, dass Digitalisierung nicht zwingend verschrien werden muss, sondern – punktuell eingesetzt – unliebsame Zeitfresser beseitigen und neue Möglichkeiten freisetzen kann. Der Mehrwert für alle Parteien, zusätzliche Zeit in Beratungsdienstleistungen einsetzen zu können, wird schnell erkannt werden und ermöglicht neue Geschäftsmodelle und -dienstleistungen. Somit freuen wir uns gemeinsam mit Ihnen auf eine erfolg- und ertragsreiche Zukunft.