Buchhaltung aus der Cloud: Der digitale Treuhänder – ein Statement von Experten

03.07.2018 // Sacha Briggen

Wie gelingt die Transformation in die digitale Welt? Die omnipräsente Digitalisierung hat in unserer Gesellschaft bereits seit einiger Zeit Einzug gehalten. Doch nun steht eine neue Phase bevor, deren Auswirkungen nur bedingt abgeschätzt werden können. Heute sprechen wir von der digitalen Transformation. Transformation heisst Assimilation, Einrichtung, Übergang oder Wechsel. Die bevorstehende Transformationsphase wird auch traditionelle Arbeiten betreffen, von denen man glaubte, dass es sie immer brauchen würde wie z.B. die Buchhalter oder Treuhänder.

Da sind nun einige Branchen auf einmal überrascht ob des tiefgreifenden Einflusses in deren Geschäftsmodell und ob der hohen Geschwindigkeit der Transformation. Doch die Digitalisierung ist kein neues Phänomen. Die Geschäftsmodelle einiger Industrien wurden in jüngster Vergangenheit komplett über Bord geworfen. Dies illustriert sich gut am Beispiel der Musikindustrie: Der iTunes Store wurde erst vor 12 Jahren eröffnet und hat bereits das ganze Vertriebsmodell für Musik weltweit auf den Kopf gestellt. Neben der Desintermediation der Wertschöpfungskette, und damit der Verkürzung der Verbindung zwischen Hersteller und Endkunde, ist eine zweite Veränderung zu beobachten: Die heutigen Konsumenten ziehen es vor, zu mieten und nicht zu besitzen. Es wird ein hohes Mass an Flexibilität zu vermeintlich tiefen Kosten gewünscht. In diesem Bedürfnis wird auch das gesellschaftliche Phänomen der Schnelllebigkeit reflektiert.

Unverkrampfter Umgang mit neuen Technologien

Gerade die Generation der «Digital Natives», also der jungen Menschen, die eine Welt ohne Internet gar nicht mehr kennen, hat einen unverkrampften Umgang mit neuen Technologien geschaffen. Als diese jungen Menschen nämlich um die Jahrtausendwende zur Welt kamen, war das Internet bzw. das World Wide Web bereits da. Diese Generation tritt nun in die Arbeitswelt ein und kann gewisse Prozesse und Verhaltensmuster der «alten Generationen» nicht mehr nachvollziehen. Externe Treiber wie die Pflicht zur Anwendung von E-Rechnungen für Lieferanten von Bundesbetrieben tragen das Ihre zur fortschreitenden Transformation bei.

Grosse IT-Unternehmen wie Apple, Alphabet (Google) oder Amazon sind in Gebiete eingetreten, die sie vor einigen Jahren noch nicht hätten betreten können. Dabei geht fast vergessen, dass sich Ähnliches in der Wirtschaft schon immer abgespielt hat. Man muss auch nicht bis in die Industrialisierung zurückgehen, um Beispiele zu finden. So wurde der einst so stolze Weltkonzern Kodak von der digitalen Fotographie schon vor Jahren überrollt. Die Bedrohung wurde nicht nur spät erkannt, es ist auch nicht gelungen, den Supertanker schnell auf neuen Kurs zu bringen.

Das Veränderungstempo nimmt zu

Doch wieso ist die digitale Revolution heute viel stärker spürbar und wieso wird der Veränderungsprozess zunehmend schneller? Neben den oben erwähnten soziodemographischen Treibern ist ein wichtiger Einflussfaktor die Technologie selber. Diese entwickelt sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Um zu verstehen, wieso es nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich immer schneller geht, kann das Mooresche Gesetz eine nützliche Erklärung liefern.

Dieses wurde bereits in den 70er Jahren benannt aufgrund Moores Feststellung, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise alle 12 bis 24 Monate verdoppelt. Der Zeitraum wurde in der erwähnten Bandbreite immer mal wieder etwas angepasst, und das Ende des Gesetzes wurde schon mehrmals vorausgesagt.

Eine unheimlich hohe Zahl an Reiskörnern

Tatsache ist aber, dass es bis heute anhält, ein baldiges Ende nicht absehbar ist und sich generell auf IT-Kapazitäten anwenden lässt. Dieses Gesetz ist eine einfache, mathematische Exponentialfunktion. Bekanntlich tut sich das menschliche Hirn schwer mit diesen. Sie erinnern sich vermutlich an die Geschichte, in der dem angeblichen Erfinder des Schachspiels ein Wunsch freigegeben wurde. Er wünschte, es solle ein Reiskorn auf das erste Feld des Schachbretts gelegt werden, auf das zweite deren zwei, auf das dritte deren vier und so weiter. Auf jedem Feld sollte die doppelte Menge des vorangehenden Felds gelegt werden. Das gleiche Prinzip wie im Mooreschen Gesetz also. Der Wunsch wurde gewährt, weil intuitiv niemand verstand, dass alleine auf dem letzten Feld 9 223 372 036 854 775 808 Reiskörner zu liegen kommen.

Am Anfang verhält sich die exponentielle Entwicklung noch verhältnismässig harmlos, aber ab einem bestimmten Punkt – im Beispiel des Schachbretts etwa in der Hälfte – wird’s leicht unheimlich, jede weitere Verdoppelung führt zu einer immer gewaltigeren Steigerung. Und genau da stehen wir nun mit den IT-Kapazitäten. Gegen 30 Verdoppelungen der Kapazitäten sind erreicht und es geht weiterhin immer mehr für immer weniger Geld, und das immer schneller.

Kleiner und leistungsfähiger – auf dem Weg zum Cloud-Computing

Die Netzwerkkapazitäten sind mittlerweile hoch genug, um auch sehr grosse Datenmengen in kurzer Zeit zu übermitteln. Die Miniaturisierung hat zudem dazu geführt, dass sich leistungsfähige Rechner in kleinste Geräte einbauen lassen, welche überall hin mitgenommen werden können. Damit haben die Virtualisierungstechnologien das ermöglicht, was wir heute mit dem etwas strapazierten Begriff Cloud-Computing benennen.

Virtualisierung entkoppelt Hardware, Betriebssystem, Daten und Anwendung in der IT-Infrastruktur. Eine virtuelle Maschine ist ein Stück Software, das ein Betriebssystem und Anwendungen betreibt, genau wie ein physischer Computer. Damit wird ermöglicht, verschiedene Systeme auf der selben Hardware zu betreiben und einem Benutzer anzubieten, ohne dass dieser über eigene Systeme verfügen muss. Damit können dank der Skaleneffekte einer mächtigen IT-Infrastruktur Kostenvorteile erreicht werden. Zudem wird die Flexibilität gesteigert, weil sich IT-Kapazitäten jederzeit auf sich ändernde Bedürfnisse anpassen lassen.

Public Cloud und Private Cloud

Es sind zwei Ausprägungen der Cloud zu unterscheiden: Die Public Cloud einerseits, in der in riesigen Datenzentren, betrieben von globalen Grosskonzernen, gigantische Infrastrukturen durch eine Vielzahl von Benutzern geteilt werden. Andererseits die Private Cloud, die auf den selben Technologien und Konzepten basiert, die aber immer dediziert für einen Kunden angeboten wird. Das heisst, ein Kunde verfügt immer über seine eigenen virtuellen Server und teilt diese mit keinen Drittparteien. Eine solche Private Cloud lässt sich genauso in einem ausgewählten Schweizer Datencenter wie auf der hauseigenen Infrastruktur einer Firma betreiben. Diese beiden letzten Optionen bieten sich für eine Treuhandfirma an. Mit einer Private Cloud kann ein hoher Standard für den Datenschutz und die Datensicherheit gewährleistet werden.

Eine grosse Chance für Treuhänder

Ein grosser Vorteil gegenüber anderen Akteuren hat die Treuhandfirma in dem ihr gegenüber vorhandenen Vertrauen durch ihre Mandanten. Kaum jemand will vertrauliche Firmendaten einfach so in die Public Cloud stellen und auf das Beste hoffen. Damit ergibt sich für die Treuhandfirma eine grosse Chance, das eigene Geschäftsmodell zu erweitern und sich bestmöglich auf die weitere Digitalisierung des Geschäfts vorzubereiten.

Doch wie gestalten innovative Treuhänder nun ein solches modernes Angebot aus?

In der Treuhand Cloud sind die Zeiten, in denen Dokumente mühsam auf dem Postweg zwischen Mandanten und Treuhandbüro hin und her geschoben werden und die selben Daten mehrfach erfasst werden mussten, vorbei. Mandanten verfügen jederzeit über einen Zugriff auf die eigene Buchhaltung und verknüpfen diese mit einer Auftragsbearbeitung, die ebenfalls durch die Treuhandfirma angeboten werden kann. Dokumente werden elektronisch über eine gemeinsame Kommunikationsplattform ausgetauscht und revisionssicher archiviert. Eine Workflow Engine automatisiert Arbeitsabläufe und sorgt dafür, dass die notwendigen Dokumente und Informationen zum richtigen Zeitpunkt bei der verantwortlichen Person sind.

Modular entwickelte Softwarelösungen

Modular entwickelte Softwarelösungen erlauben, ein Leistungspaket gemäss den Bedürfnissen der Kunden zu schnüren. Es werden nur diejenigen Anwendungen zur Verfügung gestellt, die ein bestimmter Mandant braucht. Offene Schnittstellen erlauben, auch bereits bestehende Systeme zu verknüpfen.

Mandanten erhalten so ein umfassendes, aber auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Leistungsangebot und sind in der Lage, einfache Transaktionen selber einzugeben und jederzeit auf alle aktuellen Informationen und Kennzahlen des eigenen Unternehmens zuzugreifen. Die Verfügbarkeit der Informationen verbessert sich für alle Beteiligten und fehleranfällige und aufwändige Mehrfacherfassungen entfallen.

Wenn Maschinen zu Buchen beginnen

Bereits heute kann alles, was deterministisch, d.h. nach klar definierten Regeln beschreibbar ist, im Prinzip automatisiert werden. Im Treuhandgeschäft betrifft das insbesondere die Buchführung. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass für diese Berufsgruppe gemäss der University of Oxford eine Automatisierungswahrscheinlichkeit von 94% vorausgesagt wird. Das heisst, gemäss einer von der Universität durchgeführten Studie zur Zukunft der Arbeit wird die eigentliche Tätigkeit des Verbuchens in naher Zukunft durch die Maschine übernommen.

Heute täglich so viele neue Daten wie vorher während der ganzen Menschheitsgeschichte

Doch wo geht die Reise in Zukunft noch weiter hin? Die gigantischen IT- Kapazitäten ermöglichen das Machine Learning, also das maschinelle Lernen. Ein Feld, in das zur Zeit Konzerne wie Google, aber auch staatliche Organisationen Milliarden investieren. Algorithmen ermöglichen einem System, sozusagen aus Erfahrung zu lernen. Diese Erfahrung ist heute in unerschöpflicher Quelle in digitaler Form zu finden. Wir alle machen uns das selber jeden Tag zu Nutzen: das Internet! Und auch dieses Wachstum scheint unbegrenzt. Innerhalb eines Jahres produzieren wir heute so viele Daten wie in der gesamten Menschheitsgeschichte zusammen. Mit dem maschinellen Lernen werden diese Daten nun verarbeitet, es werden Muster erkannt und das System versetzt sich in die Lage, sich selber immer mehr zu verbessern.

So könnte in Zukunft zum Beispiel die Buchhaltungssoftware auf der Basis einmal festgelegter Parameter wie Abschreibungs- oder Zinssätze in Verbindung mit der Analyse von Vorjahresdaten dem Finanzchef oder dem Treuhänder einen Vorschlag für die Jahresrechnung selbstständig aufbereiten und diesen zur Freigabe unterbreiten. Die zuständige Person muss dann nur noch prüfen, ob die Vorschläge korrekt sind, und kann die Nachtragsbuchungen mit einem Klick bestätigen oder, wenn nötig, noch anpassen. Damit werden auch weitere Felder für die Automatisierung geöffnet, auch solche, die sich nicht so präzise spezifizieren lassen.

Trotz Automatisierung bleibt der Mensch unersetzlich

Das Szenario tönt bedrohlich und darf sicher nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wenn es allerdings gelingt, die heutigen Möglichkeiten, wie weiter oben vorgeschlagen, zu nutzen und sich auf die zukünftigen Gelegenheiten vorzubereiten, wird sich zwar immer noch das Geschäftsmodell verändern, aber die Wertschöpfung der eigenen Firma insgesamt steigern. Automatisierbare Tätigkeiten fallen zunehmend weg. Dafür werden beratende Tätigkeiten an Bedeutung gewinnen, generell alle Dienstleistungen, bei denen Sozialkompetenz im Vordergrund steht, wo Serviceleistungen mit einem hohen Mass an Flexibilität verlangt werden oder es Herausforderungen zu meistern gilt, die nicht vorhersehbar sind. In diesen Bereichen ist der Mensch der Maschine bis auf Weiteres noch überlegen.

Zusammenarbeit zwischen Treuhänder und Kunde in der Transformation

Treuhänder müssen sich daher bereits heute der veränderten Situation stellen. Die Kunden verlangen von ihrem Treuhänder, dass eine elektronische Zusammenarbeit mit ihm möglich ist, selbstverständlich komfortabel und einfach übers Internet.

Mittlerweile ist eine der ersten Fragen, wenn es um die mögliche Zusammenarbeit geht: «Kann ich die Buchhaltung auch übers Internet führen?» Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Arbeit von Treuhändern. Wenn die Unternehmer selber ihre Buchhaltung führen, steigen die Anforderungen an ihre Berater. Das hat eindeutige Gründe:

  • Jeder Kunde führt die Buchhaltung etwas anders, auch wenn vom Treuhänder Tipps und Vorlagen zur Verfügung gestellt werden.
  • Nicht bei jedem Kunden geniesst die Buchhaltung die gleich hohe Priorität.
  • Laien können nicht alles wissen; deshalb gibt es mehr Pendenzen und Rückfragen, die vom Fachexperten zu erledigen sind.
  • Treuhänder müssen besser ausgebildet sein, um eine von Laien geführte Buchhaltung bereinigen und den Jahresabschluss erstellen zu können.
  • Die Treuhand-Arbeit wird fragmentierter wegen vermehrter Unterbrechungen durch Auskünfte an Kunden, die (ganz im Zeitgeist) alles gleich und umfassend erledigt haben möchten.
  • Treuhänder brauchen vermehrt IT-Kompetenzen.

 

Treuhänder müssen Softwareschulungen mit ihren Kunden durchführen. Hier geht es namentlich darum, Buchführungsstandards zu kommunizieren, um die spätere Zusammenarbeit zu vereinfachen. Mitentscheidend wird die verwendete Software, weil sie naturgemäss zum integralen Bestandteil der Dienstleistung wird. Zwischen Treuhänder und Kunde besteht jetzt eine Hybride Kommunikation online-offline oder Multichannel. Die Kunden interessiert es dabei nicht, über welches Informationsmittel sie mit dem Treuhänder in Kontakt treten. Sie wählen den Kanal, der ihnen gerade zur Verfügung steht oder den sie als den geeignetsten erachten (manchmal erweist er sich allerdings im Nachhinein nicht als solcher).

Integraler Bestandteil der persönlichen Dienstleistung

Durch die gesellschaftlichen und technischen Trends verändern sich also die Dienstleistungen und damit wandelt sich auch die Preisgestaltung beim Treuhänder. Software als integraler Bestandteil der Treuhand-Dienstleistung wird immer häufiger vorausgesetzt, sie wird zusehends Teil des Dienstleistungspakets, welches miteinander bestimmt wird. Deshalb werden Trends wie Individual-Kunden (individuelle Abrechnung nach Stundenaufwand) und Pauschal-Kunden (standardisierte Buchhaltung) die Treuhandbranche in nächster Zeit vermehrt beschäftigen.

Die Kunden werden selbstständiger und autonomer. Sie wollen Software auch nicht als ein zu erwerbendes Produkt wahrnehmen, sondern als Dienstleistung wie man sie aus diversen Online-Plattformen kennt. Kunden sind daher immer weniger bereit, für die Software an sich zu bezahlen. Themen wie «pay per use» oder «Flatrate» werden auch in der Treuhandbranche an Bedeutung zunehmen – je nachdem mit allen Vor- und Nachteilen. Die persönliche Interaktion wird jedoch auch in Zukunft im Zentrum der Treuhand-Dienstleistung stehen. Vielleicht nicht immer vor Ort, sondern auch über einen digitalen Kanal wie zum Beispiel einer Videokonferenz.

Quellenangabe:

1 Goldman Sachs
2 Wikipedia (Mooresches Gesetz)
3 Wikipedia (Sissa ibn Dahir)
4 Oxford

Klingt das vielversprechend? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf und wir unterstützen Sie rund um das Thema Digitalisierung Treuhand.